GROSSMUTTER.LEAR - Epilog

Eine Krautrock-Symphonie von GROSSMUTTER.BERLIN
Uraufführung zum Weltfrauentag 2023 im Roten Salon der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. 
Nächste Vorstellung Mittwoch, den 16.10.24 um 19 Uhr.
Die Rolle der CORDELIA übernimmt Susanne Bredehöft, Christian Filips spielt den NARREN.
Text und Regie: Regina Schulte am Hülse
Musik: GROSSMUTTER.BERLIN 
Dramaturgie: Sabine Zielke 
Die Symphonie beruht auf der Geschichte der Essener Familie Goldschmidt.
GROSSMUTTER.LEAR-Epilog (Deutsch-Russisch) :

1. Sterbegesang
2. Sterbegesang
3.+4. Sterbegesang
5.+6.+7. Sterbegesang
8. Sterbegesang
9. Sterbegesang
Potsdamer Platz - Sasa Zivcovic 
Kostüme: Patricia Walczak 

CORDELIAS KLAGEN ÜBER DIE LEIDEN 
VON MUTTER ERDE

Marsstation - Sasa Zivcovic 
1. Klage
Stangen habt Ihr Menschen in ihren Leib gerammt
Und ihr ihre Fruchtbarkeit geraubt im Übermaß, 
Die sie für Euch bereit hielt,
Um Euch zu nähren!
Aber Ihr habt nicht nur das genommen,
Was für Euer Überleben von ihr bereitgehalten wurde, 
Sondern habt aus Gier und Missgunst
Von zu viel geraubt!
Aus ihren Geschenken habt Ihr Geld gemacht 
Und es in Tresoren gehortet,
Wo ihre Gaben sinnlos verkümmern
Und zu Dämonen werden.
Sie werden Euch heimsuchen im Schlaf 
Und an der Tür zu Eurer Seele rütteln, 
Um sie aufzuwecken
Aus dem Todesschlaf Eures Gewissens.
All Eure Taten sind aufgezeichnet im Himmel 
Und auch in ihren Leib geritzt.
Sie nehmen Rache an Euch.
Nur Ihr selbst müsst sie tragen.
Nicht sie, Eure Mutter, die Euch gebar!

2. Klage
Ihren lieblichen Atem, der Euch Leben einhauchte,
 Habt Ihr verpestet mit Euren sinnlosen Geschäften, 
Die nicht zum Überleben taugen,
Sondern nur zu Eurem Untergang.
Der Gesang der Tiere aus ihrem Mund, 
Der Euch erfreuen sollte,
Ist verstummt, weil Ihr ihren Geschöpfen 
Keinen Raum zum Leben mehr gabt.
Die Bäume, 
Die Eure Gefährten sind
Und Euch so viele Wohltaten schenkten, 
Habt Ihr sinnlos gefällt.

Nun geben sie keinen Schutz mehr
Und keinen Schatten den singenden Vögeln,
Den Affen, den Fledermäusen, den Schlagen
Den Leoparden und Tigern, den Eulen,
Den Füchsen keine Höhle mehr und nicht den Wölfen.
Ihr konntet Euch Wohnungen bauen mit ihren Bäumen 
Und sie auch mit deren Holz erwärmen.
Ihr habt sie sinnlos getötet
Und müsst nun auf ewig frieren!

3. Klage
Aus ihren Brüsten fließt keine Milch mehr 
Und kein Honig für Euch und Eure Kinder, 
Weil Ihr Mutter Erde beleidigt habt
Und sie nun Rache nehmen wird an Euch.
Für sie seid Ihr die Krone ihrer Schöpfung! 
Doch Ihr dachtet, dass Ihr stärker seid als Eure Mutter,
Die Euch so sehr liebte
Und dass Ihr sie betrügen könnt.

Lange hatte sie Mitleid mit Euch und Euren Kindern, 
Weil viele Unschuldige
Unter ihrer Rache leiden werden,
Die sie achten und verstehen.

Doch Ihr beutet rücksichtslos die Schätze ihres Leibes aus,
Dringt tiefer und tiefer 
Mit Euren schmerzenden Stangen in sie ein. 
Entzündet ihr tiefes Feuer
Und ihre leidenschaftliche, wütende Glut.
Speiende Vulkane werden über Euch kommen.
Das Eis wird schmelzen
Und reißende Fluten aus hohen Gebirgen und Polen 
Werden Euch ertränken!

4. Klage
Feuer und Wasser,
Wasser und Feuer
Werden Eure Lügen und Eure Gier Vernichten!
Bis Euch klar wird, 
Dass Euer Leben 
Ein Geschenk ist für Euch von Mutter Erde!
Und auch all die Tiere und Pflanzen
Von ihr für Euch geschaffen wurden, 
Für Euer Leben und Euch zur Freude 
Aus göttlicher Liebe!
Nicht dafür, Euch selbst zu vernichten! 
Wie dumm Ihr seid!
Meine bekümmerten Augen weinen Blut!

(co) Regina Schulte am Hülse
Berlin, den 3.10.23 zum Tag der Deutschen Einheit

Grossmutter.Lear  -  Epilog

ROTER SALON 

Weltfrauentag 8.3.2023
Fotos: Stefan Günther 

9 STERBEGESÄNGE VON GROSSMUTTER.LEAR 

1. Gesang
Ich tu meinen letzten Atemzug
Und weiß, ich hab`s verkackt
Chaos ist um mich herum und Lüge,
Tod und Teufel, Mord und Betrug.

Ja, die Lüge ist die schlimmste aller Sünden.
Einmal den Weg betreten,
Gibt’s kein Zurück.
Lüge, Lüge, Lüge steht gegen
Liebe, Liebe, Liebe!

Ich bin gefangen im Netz des Bösen,
Weil ich die, die ich liebte, verriet.
Nun sterbe ich elend und ohne Kraft.
In mir brennt das Höllenfeuer der Reue.

Doch es gibt keine Erlösung.
Weil ich sterbe
und nicht mehr ändern kann,
Was ich verbrochen.

2. Gesang
Gier und Eitelkeit war,
Was mich trieb.
Der Thron hat mich verdorben,
Einsam und blind gemacht.

Ich sah die Menschen um mich herum,
Nur wie lästige Insekten,
Die ich zerquetschen muss,
Damit sie mich nicht stechen.

Da ich die Macht besaß,
War die Versuchung groß,
Sie auch zu nutzen.
Kaum ein Verbrechen begangen,
das ich genoss,
Strebte ich schon nach dem Nächsten.
Das bereitete mir Lust und Befriedigung,

Weil ich dachte, über jeder Moral zu stehen
Und Gott gleich zu sein,
Den ich verachtete,
Weil er mich nicht bremste
und strafte für meine Vergehen.

3. Gesang
Jetzt weiß ich,
Dass ich hätte umkehren können
und Reue zeigen!
Aber dazu war ich zu stolz
Ich fürchtete,
Schwach zu erscheinen
Und unglaubwürdig
In meiner Strenge.

Jetzt weiß ich,
Dass ich die, die ich am meisten liebte,
Aus Eitelkeit verstieß,
Weil sie nicht mit mir kämpfen wollte
Und sanft war.
Das hat mich beleidigt.
Ich wollte nie sanft sein,
Sondern stark wie ein Löwe,
Ein Adler, ein Krokodil.

Aber das war ich nicht,
Was ich jetzt weiß.
Meine Haut ist dünn
Und mich friert ohne Kleidung.
Deshalb suchte ich nackt
Nach Wärme von Vielen.
Doch kaum erwärmt,
Wars mir genug.

Ich dachte,
Ich müsste mich schämen,
Nackt meine Schwäche gezeigt zu haben.
Ich verstieß die,
Die mich eben noch wärmten.

4. Gesang
Nun ist mir auf ewig kalt
Ich bereue zu spät.
Mir bleibt nur die Kälte des Weltalls
Und die nasse Erde,
In die mich die Töchter lieblos betten.
Würmer werden an mir nagen,
Meinen sündigen Körper verdauen.

Vielleicht legen mich meine Töchter aber
In die prächtige Gruft
Und mir bleibt der Zerfall
Durch Balsamierung erspart.
Dann bin ich für ewig eingesperrt
Mit meinen Ahnen,
Die genauso waren, wie ich,
Mordeten und raubten.

Nicht nur ihre Körper,
Sondern auch den Geist und
Die Seele der Menschen.
Und ihr verängstigtes Herz.

5. Gesang
Kind, Kind, Tochter, Tochter
Cordelia, Du wahre Regina
Du Himmelskönigin,
Ich hab Dich ermordet, der eigene Vater,
Mit Worten und Taten,
Verstieß Dich,
Die mich retten wollte und liebte.

Mein einziger Trost ist,
Dass Dich Frankreich liebte
Und Dir auch Vater war,
Was ich schändlich verweigerte.
Verzeih mir, Du Engel!
Ich weiß, Du hast das längst getan!

6. Gesang
Selbst, wenn mein Grab geschändet würde
Und keine Knochen mehr von mir zu finden,
So bliebe doch die goldene Krone
Auf ewig der Nachwelt erhalten.
Ich schenkte sie Deinen Schwestern,
Die ihrer unwürdig waren,
Was ich zu spät erkannte.
Ich glaubte ihren falschen Schwüren.
Auf Deinem Haupt hätte sie gestrahlt, Cordelia,
Und die Geschichte unserer Ahnen
Und ihrer Verbrechen gerettet.

Die Verführung dunkler Mächte war stark.
Sie erschien mir zu reizvoll,
Als dass ich hätte widerstehen können.
Ich verriet meine Verantwortung als König.
Ich wollte nicht wahrhaben,
Dass das falsche Strahlen der Krone
In die Verdammnis und Hölle führt
Und niemals ins Licht des Himmels.

7. Gesang
Nun ist mein Ruf auf ewig verdorben.
Er hallt von den Sternen wider,
Die mich noch nicht mal bedauern,
Da sie kalt sind und ohne Mitleid.

Ich habe das auch nicht verdient.
Unzählige Sterne sind erloschen,
Auf denen es vielleicht einmal Leben gab.
Nun glänzen sie nur für sich
In rätselhaften Sphären.

Deine Liebe hätte die Geschichte verändert,
Aber ich ließ sie nicht zu,
Um keine Schwäche zu zeigen.

8. Gesang
Da draußen im Weltall locken die Sterne,
Die wir auch hier
Auf der Erde suchen,
Weil uns ihr Glitzern verführt.
Aber dort oben, wie auch hier,
Antwortet nur Kälte
Man hält sich besser fern.
Es gibt keine Luft zum Atmen.

Die Verlockung ist groß,
Das Glitzern zu sammeln und zu horten,
Sie verbrennt unser armes, dummes Herz.
Sein furchtbares Glühen kühlt es mit Eis.
Bis es nicht mehr lieben kann.
Nicht mehr lieben können,
Ist die schlimmste Strafe, mein Kind,
Cordelia, Du Himmels Regina.

Wenn die Gier Dich gepackt hat
Und Dein Herz in Stein verwandelt,
Hilft nicht mal mehr Morden,
Um noch zu fühlen.
Ohnmächtige Wut
Trieb mich weiter und weiter,
Bis um mich her nur noch öde Wüste war
Und gnadenloser, eisiger Sturm.

Die Kräfte, die durch Gier gerufen,
zerreißen und verschlingen mich.
Ich stürze allein in den Abgrund,
Bin für immer ohne Deinen Trost.
Du bist schon auf der anderen Seite
Und unerreichbar für mich.

9. Gesang
Die Gräuel der Mächtigen
Werden erzählt und bewundert.
Sie sind eingebrannt
Im Gedächtnis der Menschheit.

Doch ist das ihre Strafe auf Ewig.
Das ist das Höllenfeuer,
In das auch meine
Unerlöste Seele gehen muss.
Das Paradies ist Vergessen
Und Gleiten zu den Sternen.
Nur der Schein der Liebe und Vergebung
Bringt Wärme auf die Erde zurück.

Ich liebe Dich Tochter, Cordelia!
Das sage ich mit meinem letzten Atemzug.

(co) Regina Schulte am Hülse, Berlin, den 26.8.22

Probe im Studio 5.3.23

Die Schauspielerin Ilse Ritter zu Gast mit den Weissagungen der Áda
Fotos: Stefan Günther 

DER NARR HÄLT GROSSMUTTER.LEAR 
DEN SPIEGEL VOR

Dieses Wühlen in der Vergangenheit 
Diese Tränen immer noch, auf die ich stolz bin -
Noch nicht zum Gleichschritt zurechtgebogen 
Und immer noch standhaft in meiner Treue zur versuchten Wahrheit!
Zeigst Du Dich schön und strahlend einmal für uns?
Und nicht nur für mich?

Ich habe gemordet,
Das Blut troff von meinen Händen!
Selbst meine Tränen waren rot!
Nur um in Deinen starren, toten Augen
Die Wahrheit zu suchen!
Vergeblich, denn Deine Seele war schon weg.

Auch Dein Herz konnte ich nicht erkennen, 
Obwohl ich Deinen Brustkorb öffnete…!
Wahrheit!!!

Ich bin ein Sandkorn, ein Wurm, ein Nichts im All.
Und doch habe ich einen Anspruch auf meine Gefühle,
Die mir das Wertvollste sind,
Das ich zu verteidigen habe in meinem Leben 
Und meiner Lust, zu morden.

Denn nur die Gefühle leiten weiter von Mensch zu Mensch,
Die sich sehnen nach Liebe und Berührung der unblutigen Haut.

Und genau diese Gefühle sind es,
Die so verletzlich sind 
Und in ihrer Verzweiflung so käuflich!

Kann es denn sein,
Dass wir Bomben schmeißen,
Um unser Gegenüber zu überzeugen,
Dass wir eigentlich nur Liebe wollen?

Wie kläglich und wie amüsant!

Heilige Sprache ward uns gegeben 
Von großen Dichtern, Denkern und Heiligen.
Aber wir hören nicht zu,
Sind hilflos verblendet vom Gold…!

Das hab ich in meiner Einsamkeit erkannt.
Der Thron ist meine Isolation, mein Kerker,
Dem ich nicht mehr entrinnen kann.

Gold ist schön und strahlend an Handgelenken 
Und Hälsen getragen und mit ihm geprotzt.
Dabei ist Gold rein und heilig in seiner Schönheit 
Und in seiner Ewigkeit für uns Sterbliche unerreichbar!

Versuche nicht, es zu besitzen,
Es bringt nur Unheil für uns schwache Menschen!
Es ist ewig!
Du nicht!

Berlin, den 14.9.23
(Co) Regina Schulte am Hülse

TEAM GROSSMUTTER.BERLIN
 Regina Schulte am Hülse (Geena   Gross): Text, Gesang, Geige, Regie
 Lutz Fahrenkrog - Petersen
 (Dr. Lutz): Produzent, Bass
 Thomas Pflanz (Dr.T): Blasinstrumente, Percussion
 Daniel Schröteler (Schroet):
 Drums, Loops, Percussion
 Taylor Savvy: Guitars
 Patricia Walczak: Kost�me
 Sabine Zielke: Dramaturgie
Fanny Zschau: Presse